Ob wir nun von den Affen, von den Wölfen oder von Adam und Eva abstammen, wird die Familienforschung nicht klären können. Aber ist es nicht ganz interessant herauszufinden, wie unsere Urgroßeltern und vielleicht sogar deren Urgroßeltern gelebt haben? Haben sie sich als Landarbeiter durchgeschlagen, in verschiedensten Kriegen ihren Kopf riskiert? Oder waren sie angesehene Handwerker, hatten Ehrenämter in der Gemeinschaft und bescheidenen Reichtum?
Neugier und Interesse an der Vergangenheit sind wohl die Triebfedern der meisten Familienforscher. Sie fragen sich, wie das Leben damals gewesen sein mag, sehen sich Landschaften und Dörfer an, die für ihre Vorfahren Heimat waren. Dabei lernen sie, verstehen Zusammenhänge, die auch in unserer Gegenwart und sogar für die Zukunft Bedeutung haben.
Im Dritten Reich bekam der Begriff "Ahnenforschung" leider einen fatalen Beigeschmack, der noch heute die Einstellung vieler Menschen zu diesem Hobby beeinflusst. Die Nazis verlangten von allen Bürgern den Nachweis einer "arischen" Herkunft, forderten zu diesem Zweck das Anlegen eines "Ahnenpasses" und versuchten, Stammbäume zu archivieren und zu katalogisieren. Die damals erstellten Unterlagen sind heute für viele Familienforscher Hilfe und Fluch zugleich: Hilfe, weil sie auf der Suche nach Orten und Daten nützlich sind, Fluch, weil sie an den Missbrauch von Daten erinnern, die persönlicher kaum sein könnten und zudem ohne jede Aussagekraft über die lebenden Nachfahren sind.
Wer heute die Familienforschung als Hobby für sich entdeckt, kann diesen geschichtlichen Makel zwar nicht ignorieren, sollte sich davon aber auch nicht abschrecken lassen. Was sind die zwölf Jahre des "1000jährigen Reiches" in der Familienforschung, die sich meist problemlos auf einen Zeitraum von rund 400 Jahren bezieht? In den meisten Gebieten Deutschlands liegen ungefähr seit dem Jahre 1600 aussagekräftige Aufzeichnungen auch über das "gemeine Volk" vor, die die Aufstellung einer Ahnentafel ermöglichen.
Quellen der Familienforschung sind in jüngerer Vergangenheit die Unterlagen der Standesämter. Vor 1874 hatten die Kirchen die Aufgabe, Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle zu dokumentieren - und die Pastoren machten ihre Arbeit damals nahezu genauso gewissenhaft wie heute die Beamten. Ergänzt werden diese "Basisdaten" durch all das, was in Archiven auf der ganzen Welt vor sich hin staubt: durch Zunft-, Gerichts-, Militär-, Grundbuch- und Steuerakten, die auch Jahrhunderte später noch Auskunft geben über Lebensumstände und Besitzverhältnisse, über glückliche und traurige Momentaufnahmen aus dem Leben unserer Vorfahren. Das alles gilt es aufzuspüren und "auszugraben".
Wer sich das "Virus" der Familienforschung einmal eingefangen hat, kommt davon kaum wieder los. Zu spannend sind die Details, die jede neue Recherche erbringt. Der Mensch als Jäger und Sammler - in kaum einem "modernen" Hobby können diese Urinstinkte elementarer befriedigt werden. Hinzu kommen das Kennenlernen fremder Menschen mit gleichen Interessen, das Entdecken neuer Landschaften auf zahlreichen Reisen zu den eigenen Wurzeln, das Begreifen von Geschichte, die immer auf dem Rücken der "kleinen Leute" geschrieben wird, und das Lösen von Rätseln, die NICHT die Welt bewegten...
Viel Spaß allen, die sich auch infiziert haben!